Sonntag, 7. Dezember 2014

Schmink mich! – oder mal inszeniert und nicht inszenierend sein




Noch weiß ich nicht, was auf mich zukommt
Mit einem Klappstuhl auf den Leipziger Weihnachtsmarkt, zwischen Feuerzangenbowle und (ekeliger) Schaumwaffel... So fing das „Abenteuer Postkapitalismus-Performance“ heute morgen um 13 Uhr für mich an.
Treffpunkt am Hbf, Marie und Cindy, die mich für dieses Projekt angefragt haben, welches sie im Rahmen der Leipziger Euroscene (Theater- und Filmfestival) unter dem diesjährigen Motto „Transit“ erarbeitet haben, haben schon jede Menge Make Up gekauft. Nicht zuletzt, weil ich froh war, endlich der künstlerischen Durststrecke der letzten Tage zu entkommen, war ich sofort von der Idee „mich schminken zu lassen“ begeistert. Der großartige Hintergrundgedanken, mit dieser Performance ein postkapitalistisches Tauschsystem in einen Hauptumschlagsort des Kapitalismus (halt den Weihnachtsmarkt) zu säen, hat sich mir erst im Laufe des Tages überhaupt erklärt ;) !

Die Idee ist einfach: Jeder der Lust hat schminkt mich, wie er Lust hat, solange er Lust hat. Dafür bekommt mensch eine Art Gutschein - eine „Card Blanche“ - die die Zeit oder den Aufwand, den ich zur Verfügung gestellt habe repräsentiert. Diese Karte muss nun immer weiter gegeben werden, indem jemand anderem ein ebenbürtiger Dienst erbracht wird. Natürlich soll sich nicht die ganze Stadt schminken, aber die kleinen Nettigkeiten des Alltags werden so, so die Theorie, bewusster ausgeführt und vervielfacht. Ich bin gespannt, ob von den vielen Karten die wir heute verteilt haben ein paar wirklich mehrere Stationen schaffen! Ein junger Mann wollte zum Beispiel für die Karte seine Freundin zum Bier einladen, vielleicht trägt diese dann ihrer Nachbarin die Einkäufe hoch und das System hat schon die ersten Früchte getragen...


Und los geht’s: Rein ins Getümmel, einen Platz nicht mitten drin; aber direkt an der Menge gefunden, eine Szene mit Kleeband markiert und das mit Lippenstift geschriebene „Schmink mich!“ Schild hoch gehalten. Die ersten Studenten kommen vorbei. Ich kriege Lippenstift und Grundierung, sie eine „Card Blanche“. Außer dem Spaß und tollem Video- und Fotomaterial gibt es viele spannende Gespräche über Idee der Performance, Kapitalismus, den Tauschansatz und Sternburg Bier.
Also da hat sich jemand wirklich wirklich Mühe gegenem finde ich!
„Werden mit eurem System nicht die Freundlichkeiten, die doch eigentlich selbstverständlich sind und gar nicht in kapitalistischem Zusammenhang stehen in den Kapitalismus rein gezwängt?“, fragt eine Frau, die mich trotz langer Grundsatzdiskussion nicht schminken möchte. Noch bevor ich denken kann, dass sie irgendwie recht hat kontert Marie, dass es eben um „mehr“ als das Selbstverständliche geht und dass es in Spanien (ich glaube, es war Spanien) ein ganzes Dorf gibt, welches auf diesem System beruht. Ich höre fasziniert zu, während mir ein polnischer Jugendlicher, dem Cindy tatsächlich auf polnisch das Prinzip erklärt hat, „Illuminati“ mit Lippenstift auf die Stirn schreibt.
Eine Gruppe etwas äterer Damen möchte mich zwar nicht schminken, weil ich „so gut aussehe, dass ich das nicht nötig habe“, wäre aber bereit für den Zweck, zu dem wir diese Kunst machen zu Spenden. Wir erklären ihr, dass es uns genau darum geht KEIN Geld zu verwenden. Sie findet es schade uns nicht unterstützen zu können.
Das Foto täuscht, ich war rot.

Kurz danach platzen zwei Schwestern (ich schätze zwischen 7 und 11) in ein Gespräch mit einem älteren französischen Paar, die sich nicht sicher sind, ob sie richtig verstanden haben, was Begriffe wie „Schminken“ oder „Postkapitalismus“ bedeuten. Die beiden Mädchen sind schnell überzeugt von der Idee einen Jungen schminken zu dürfen und die Mutter ist von unserem Konzept begeistert. Während sie mir die dritte Schicht Lippenstift auf Nase und Augenlider verteilt, berichtet mir die ältere Schwester, dass ihre Freundin letztens in der Schule einen Vortrag über Make Up gehalten hat und dieses demnach „nicht sonderlich gut für die Haut“ sei, ihr dass aber in meinem Fall egal sei. Die Jüngere ist dabei den Lippenstift mit einer ordentlichen Portion „Glitzer“-Lidschatten festzupinseln. Die beiden haben wirklich eine unglaubliche Ausdauer und die Mutter eine mindestens genauso große Geduld! Wow! Nach mindestens 20 Minuten sind die Künstlerinnen mit ihrem Werk in lila-rot-rosa zufrieden und der letzte Maskara wird in meine Augenbrauen eingearbeitet; „So wie, wenn ich einen Tanzauftritt habe!“
Nach jeder Menge Fotos von den Damen und ihrem Kunstwerk, die am Abend stolz Papa präsentiert werden sollen verabschieden sich die drei.
 
Einer rechts einer links... Kreativ
Während ich mich abschminke (die Tücher hätte man selbst als Kunstwerke ausgeben können, so bunt wie das, was da von meinem Gesicht runter kam war) beschlossen die Inszenatorinnen, dass wir genug Material gesammelt haben. Da ist ja noch das Paar, das mir gleichzeitig zwei Penisse auf die Wangen gemalt hat, die Frau, der ich eine professionelle Maske zu verdanken habe, um die mich so manche Dame beneiden würde, der Student, der diese mit einem schwarzen Wimperntusche-Schnurrbart verfremdet hat und und und.
Um wieder aufzutauen und die Ergebnisse zu besprechen trinken wir eine heiße Schokolade. Ich bin erstaunt wie gut das Experiment funktioniert hat und wie viel Interpretationsspielraum die Performance und die noch entstehende künstlerische Videoauswertung frei gibt. Von der Wahl einer Handykamera als Medium über Gender Aspekte, weil ich als „Mann“ geschminkt wurde, bis zu den verschiedenen „Transit“ Vergleichen. Meine Transformation, das Weitergeben der Karten, Antikapitalismus, …
Im Nachhinein wirklich schade, dass ich zum Bezahlen zum nächsten Geldautomaten gerannt bin und nicht einfach im Gegenzug für den Kakao morgen meinen Hausflur putzen kann!
 
 
 
... Dieses eine Bild hat leider nicht in die Formatierung gepasst, aber ich muss es einfach noch hinzufügen!

Liebe Grüße,

Freddy Merc Merlin

Dienstag, 23. September 2014

Stenoblog N°2 - ein Reisebericht

Nach der langen Spielzeitpause habe ich heute dann doch mal die ersten Papierstapel, die sich mit der Zeit gebildet haben weg geräumt und dabei einen Stapel Texte in die Hand bekommen!
Hier ein besonders schönes Exemplar wie ich finde.

Der Text ist tatsächlich auf einer Bahnfahrt quer durch Deutschland in's ferne Rostock entstanden - Genau genommen sind es mehrere Texte, die ich hinterher montageähnlich zusammengefügt habe. Ich finde, dass das Gefühl einer Zugfahrt und der Zeit die man dort mal für sich hat dadurch noch verstärkt wird...

Irgendwo zwischen Landschaftsbeobachtung, Romantischer Reisesehnsucht und Eisenbahnernostalgie.

In Kürze erreichen wir: Schwanheide.
In Schwanheide gibt es Kutschen und Pferde und alte Häuser und alte Autos. Verbringen wir hier mal Ferien zusammen? Wie eine Zeitreise in die 60er... Die Bahnlinie geht genau gerade durch das flache Land. Schade, dass es keine Dampflok ist, dann wäre das Western Feeling perfekt! Hier ist immerhin ganz viel Sonne und grün wenn meine Orientierung nicht ganz falsch ist, müsste man mit einem von den Oldtimern da vorne in einer halben Stunde am Meer sein! Und mit den Pferden kann man sicher die Elbe entlang reiten!
Es gibt einen kleinen Bahnhof hier. Wir können aus dem RE direkt in die Natur fallen! Der Zug hält. Draußen steht eine ältere Dame am Gleis und filmt den Zug. Sicher schöne Bilder. Automatisch lächle ich in ihre Richtung. Oder die ihrer Kamera.
Urlaub mit dir. Mir hat letztens wer von Erholung durch absolute Isolation erzählt. Alleine könnte ich das nicht. Ich fühle mich ja jetzt schon verloren.
Jetzt sind draußen nur noch Bäume. Wald. Die Dörfer und Felder werden weniger und weniger... Schwanheide liegt hinter mir. Und du noch viel weiter.Verbringen wir hier mal Ferien zusammen?

In Kürze erreichen wir: Schwerin.
Unterwegs sein ist so herzzerreißend schön!
Aber wieso verdammt bin ich denn alleine unterwegs, wo es dann doch auch noch herzzerreißend einsam ist? Diese unendliche Schönheit Deutschlands, die man sich von zu Hause aus oft kaum vorstellen kann und zum Beispiel im Sommer lieber in den weiten Süden flieht. Doch hier gibt es sie auch, Landschaften wie man sie in Frankreich vermutet hätte, Holland oder Italien. Höfe, Dörfer, alte Bahnstationen, schmale, braun asphaltierte Sträßchen, die die Schienen kreuzen... Ein Pick-Up fährt vorbei... Vielleicht zum nächsten Dorf?
Etwas liegt an den Schienen... Ein Lagerplatz für Holz, Metall und anderes Baumaterial!
„Schwerien-Süd“, sagt die DB Stimme, die doch sonst so negativ klingt. Draußen dass, was man auf dem Land... Oder in den 50ern ein Gewerbegebiet nennen würde. Dann wieder grünes Getreide neben gelbem Raps. Ein paar Wolken am Himmel, für den Moment die einzige Erinnerung an das in letzter Zeit besonders graue, kalte Ruhrgebiet. Ansonsten Sonne.

Und dann wieder dieser eine Gedanke... Irgendwann zeige ich dir all' diese Landschaft, dann erkunden wir beide die Dörfer und Felder an denen ich jetzt nur kurz Halt mache, bevor es wieder weiter geht. Ich versuche mir so viele schöne Orte wie möglich zu merken. Die Fachwerkhäuserreihe, den Parkplatz im nirgendwo mit den vielen Oldtimern, das halb verfallene Backsteinhaus, aus dessen Dach schon die ersten Pflanzen wachsen. Ockerfarbe.

Eine gepflasterte Landstraße. Nicht breiter als ein Fußgängerweg. Ein Mädchen versucht per Anhalter mitgenommen zu werden.

„Schwerin Mitte“. WO? Drei Häuser mit je höchstens drei Etagen sind zu erkennen. Ist Schwerin nicht eine Hauptstadt? Können drei Häuser denn eine Hauptstadt sein? Vielleicht ist da irgendwo eine Großstadt? „Schwerin Hauptbahnhof“. Hier jedenfalls nicht.

Bad Kleinen ist interessant! Hier ist irgendwie noch ein Hauch Bayern und was modernes in der Architektur verloren gegangen! Fachwerkhäuser mit riesigen Glasterassen auf den kleinen Hügeln.


Montag, 14. April 2014

Stenoblog N°1


Bei all den Theater-, Poetry Slam- und Musikprojekten sind in letzter Zeit viele viele unterschiedliche Texte entstanden! Längst nicht alle davon haben es auf die Bühne geschafft... Es wäre aber doch viel zu Schade, solche Gedanken auf dem Schreibtisch oder im Notitzbuch verstauben zu lassen!

Dieser kleine Gedanke, den ich verfasst habe, nachdem ich den unerwartet schönen Liebesfilm "Verliebt und ausgeflippt" geschaut habe macht also jetzt einfach mal den Anfang einer Reihe kleinerer und größerer Texte.

Abendgedanken, Thematische Stichpunkte zu Inszenierungen, Slams, Lieder, Meinungen, ... "Stenoblogs" eben!

"Es gibt da jemanden, den ich liebe... Und so richtig vermisse! Hab' sie letztens erst völlig unerwartet im Fernsehen gesehen! Wollte fast wegschalten, weil ihre letzten Filme mich wirklich nicht berührt haben... Aber da war sie in dieser Einfachheit mit diesem „Du kanst mich auch haben“ - Charme in ihrem Spiel!
Naja, wen ich meine ist die große Romantik! Jemanden von ganzem Herzen zu lieben und auch irgendwie zurück geliebt werden, aber dennoch nicht mit dieser Person zusammen sein, aus kompliziertesten Verworrenheiten.
Jahrelanges kämpfen um die Liebe, den Blick, den Moment. Die immer wieder kommenden Schmerzen über ein hätte-sein-können. Manchmal habe ich das Gefühl tiefster Unglücklichkeit aus dem einfachen Grund, dass ich nicht unglücklich bin.
Verliebtheit ist in der letzten Zeit viel zu kurz gekommen. Man kann sie nicht durch ein Konstrukt eines „Zueinanderpassen“ kaltblütig ersetzen... „Passen“ an sich ist schon als Bedingung für Romantik absoluter Müll.
Wo sind jahrelange unerfüllte einseitige Liebesträume? Ist die letzte Traumfrau schon betrunken auf einer schlechten Party geküsst, die letzte unerreichbare Sexgöttin schon in einer mysteriösen Nacht verführt worden? Wo sind nächtelange Planungen um eines einzigen Wortes Willen?
Naivität, Ich vermisse dich.
"